Goethe meets Bauhaus in Greifenberg
Weimar-Symphonie: Der harmonische Klang diametral entgegengesetzter Architekturstile
Text und Fotos: Sigrid Römer-Eisele
Was für ein großartiges Häuserensemble kann entstehen, wenn sich drei Architekten, ein Komponist und ein Künstler zusammensetzen mit dem Ziel, Architektur nach den Regeln der Musik zu kreieren! Auch wenn der wechselseitige Bezug beider Kunstformen zunächst verwunderlich klingen mag, ist er doch längst Teil unserer Kulturgeschichte: Bereits der römische Architekturtheoretiker Vitruv forderte, dass ein Baumeister über Kenntnisse der Musik und ihrer mathematischen Gesetzmäßigkeit verfügen müsse. Und so bezieht sich die Proportionslehre in der Architektur auf die Harmonielehre in der Musik.
„Architektur nach den Regeln der Musik ist zwar kein Garant, dass etwas Schönes entsteht, aber dieses in Beziehung Setzen bietet eine grammatikalische Struktur, von der man sich leiten lassen kann“, so Helmut Balk, der gemeinsam mit seiner Frau Dr. Margret Madelung das Greifenberger Institut für Musikinstrumentenkunde leitet und 2008 ein besonderes Architekturprojekt anstieß, das in groben Zügen der Forschungsarbeit ihres Instituts folgt: Eine „bildende Nachahmung des Schönen“ (so zitiert Helmut Balk den Autor Karl Philipp Moritz aus dem 18. Jahrhundert) – eine Nachformung dessen, was sich in der Vergangenheit bereits als meisterhaft bewährt hat, verbunden mit dem, was heute möglich ist.
Und so luden die beiden die Architekten Alfred Sunder-Plassmann (Schondorf), Alexander Herrmann (Schondorf) und Johann Müller-Hahl (Landsberg) ein, gemeinsam mit dem Komponisten Wulfin Liske (Köln) und Künstler Andreas Kloker (Schondorf) die Vision eines harmonischen Häuserensembles zu entwickeln, aus der ein Bebauungsplan für das an das Greifenberger Institut angrenzende, 10.000 m² große Gelände erstellt werden könne.
Überrascht stellten die Beteiligten fest, dass viele Bauelemente bereits in musikalischen Proportionen vorlagen: „Wir waren ursprünglich davon ausgegangen, Ziegel, Fenster etc. erst in passender Größe herstellen zu müssen. Aber der Normziegel, der auf den Reichsnormziegel aus dem 19. Jhd. zurückgeht, ist ebenso wie z. B. das DinA4-Blatt bereits in musikalischen Proportionen genormt – das ist uns allen nur nicht bewusst“, so Helmut Balk.
So war es von Beginn an einfacher als gedacht, die angestrebten Größenordnungen umzusetzen. Fenster und Wandflächen wurden entsprechend geplant, und beim Dach entschied man sich für das ästhetisch ansprechende, im 18. Jhd. entwickelte Mansarddach, das durch seine geringe Neigung auch einen großzügigen Wohnraum direkt unter dem Dach bietet.