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Der vielseitige Landwirt vom Ammersee

Biohühner, Hanfanbau, Kletterpark, Pflanzenlabyrinth und Schulungen in Afrika – die Projekte des Uttingers Uli Ernst und seinem Team zeigen: Nichts ist unmöglich – nicht mal Weinanbau am Ammersee

Abenteuer Landwirtschaft ist Programm beim umtriebigen Bio-Landwirt Uli Ernst und seinem Team, mit dem er zusammen mit Ehefrau Corinne unzählige Projekte realisiert. Auf vierzehn Generationen Landwirte und Fischer im Stammbaum kann der 49-jährige Uttinger zurückblicken. Für das Generationenwissen seiner Familie und die Möglichkeiten, die ihm das Erbe seiner Vorfahren bietet, ist Ernst sehr dankbar. Auf dem Uttinger Aussiedlerhof, mit Blick über den Ammersee auf Andechs, wohnen auch aktuell mehrere Generationen unter einem Dach. Die Leidenschaft zum Kunstturnen führte Uli Ernst und seine Frau Corinne zusammen. So richtig überzeugen konnte er sie allerdings erst bei „romantischen Übernachtungen auf der Schwedeninsel“, schmunzelt der ehemalige Bundesliga-Turner und Akrobat im Gespräch mit jezza!. Es ging gut aus. Die beiden sind seit 2002 verheiratet und haben zwei Kinder. 2010 übernahm der gelernte und studierte Landwirt den landwirtschaftlichen Betrieb, den sein Großvater
und Vater 1965 mit einem Aussiedlerhof zwischen Utting und Schondorf aufgebaut haben. Davor hatten Corinne und Uli Ernst schon einige Unternehmungen auf die Beine gestellt, die weit über das Portfolio eines klassischen Landwirtes hinausgehen. „Wir können Nische“, beschreibt Ernst seine Form der Landwirtschaft. Klar war für ihn, den Hof auf Bioproduktion umzustellen und hochwertig zu produzieren. Er ist dankbar dafür, dass es hier „viele Menschen gibt, die das wertschätzen“.

Sein Gespür für Gestalt und Form verschafften ihm noch das gewisse Extra, das für seine Unternehmungen typisch ist. Wichtig ist es Ernst auch, dass alle Unternehmungen nur als Team zu schaffen sind, auch weil er seit 23 Jahren als Dozent und Trainer für Landwirte arbeitet und etwa fünfzig Seminartage im Jahr von Schleswig-Holstein bis Südtirol sowie in Afrika unterwegs ist. Im Betrieb arbeiten vier Festangestellte und eine Auszubildende das ganze Jahr über. Im Sommer vergrößert sich das Team auf bis zu 35 Angestellte. Erste Erfahrungen mit der Direktvermarktung machte der Landwirt bereits 1999. Mit Blumen zum Pflücken ging es los. Seither stehen Tulpen, Gladiolen, Lilien und Sonnenblumen als bunte Farbflecken in geraden Linien auf 13 straßennahen Feldern in unserer Region. Im gleichen Jahr startete das erste Ammersee Labyrinth Ex Ornamentis, damals noch als Maisfeld mit Sonnenblumen, im Freizeitgelände Utting. „Wir mussten unseren eigenen Weg finden“, sagt Ernst über die Anfangszeit. Die einzelnen Unternehmungen wurden weiterentwickelt, so entstand die Idee zum Hochseilgarten aus dem Labyrinth-Motiv des Jahres 2006. Und so öffnete zwei Jahre später der als Piratenschiff designte Hochseilgarten „Wilde Gretel“ seine Luken neben dem Labyrinth. Viele Ideen kommen von den Mitarbeitern, andere durch Zusammenarbeit. „Ich bin ein Netzwerker“, sagte der sympathische Uttinger. Sein erstes Seminar zur Biologischen Landwirtschaft besuchte er bereits in den 1990-er Jahren. Die Umstellung von konventionellem Anbau auf Bio-Landwirtschaft war auch ein Risiko für den Hof, so Ernst, denn er musste mit vierzig Prozent weniger Ertrag rechnen. Die meisten seiner Waren tragen das strenge Bio-Siegel „Naturland“. Es bleibt eine Herausforderung, sein „wirtschaftliches Glück zu finden“, erklärt Ernst. Bei ihm funktioniert es mit der Direktvermarktung seiner Produkte. Seit 2018 lädt ein Verkaufspavillon mit Automaten an der Hofeinfahrt (an der Staatsstraße 2055) zwischen Utting und Schondorf zum Kauf rund um die Uhr ein. Was zunächst als Verkaufsstelle für die Bio-Eier der Sandy-Hühner aus dem Hühnermobil begann, bietet heute eine ganze Palette an Bio-Produkten. Die Bio-Eier sind ein Verkaufsschlager. Inzwischen stehen auf neun Hektar Auslauffläche drei Hühnermobile und zu Spitzenzeiten legen neunhundert Hühner täglich ein Ei. Weil Habichte die freilaufenden Hennen aber als willkommene Futterquelle ansahen und in einem Jahr achtzig Hühner erbeuteten, holte Ernst eine wehrhafte Ziegenherde aus dem Südtiroler Passeiertal. Die inzwischen sechzehn Ziegen senkten den Verlust merklich. Alles vom Huhn wird verwertet: So gibt es auch Eiernudeln, Hühnersuppe und Hühnerfond. Im früheren Milchviehstall werden Kälber und Jungrinder aufgezogen. Die Rinderaufzucht spielt aber inzwischen eine untergeordnete Rolle im Betrieb, so Ernst. Ein veganes Angebot in Bioqualität bietet der Landwirt mit verschiedenen Mehlen, Dinkelnudeln, Sonnenblumenöl und dem raren Hanföl. Mit Hanf arbeitet der Landwirt schon seit 2001 im Labyrinth, da er den Mais durch hochwachsenden Hanf ersetzte. Für das mild-nussige Bio-Hanföl, das einen hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren
hat, baut Ernst aber eine andere Sorte an. Das neueste Produkt sind Bio-Säfte aus Früchten von 180 eigenen Obstbäumen. Dabei kooperiert der Landwirt eng mit biozertifizierten regionalen Betrieben.

Sein wohl spektakulärstes Projekt, das 2015 startete, ist der Weinanbau am Ammersee, für dessen klimatische Bedingungen er die richtigen Reben fand. Zunächst war auch noch eine immense Bürokratie zu bewältigen, um überhaupt Rebstöcke setzen zu dürfen. Nach mehreren Rückschlägen wie Hagelschlag und Vogelfraß konnten bei der Lese im letzten Herbst so viele Trauben geerntet werden, dass nun beim Partnerbetrieb in Rhein-Hessen (von Anfang an arbeitete er eng mit dem jungen Winzer Martin Fischborn vom Weingut Bergeshof in Rhein-Hessen zusammen) fast 3.000 Liter Ammersee-Wein im Keller liegen. Bald wird es also den ersten hiesigen Bio-Wein zu kaufen geben – und Ernsts Traum, wie einst die Römer am Ammersee Wein anzubauen, geht in Erfüllung.


Weniger bekannt ist Ernsts Engagement als Trainer. „Senior Consultant International“ steht auf seiner Visitenkarte der Andreas Hermes Akademie im Bildungswerk der Deutschen Landwirtschaft e.V. in Bonn. Er ist auch im Ausland im Einsatz, u. a. in Äthiopien. Dort schult er Trainer und Trainerinnen vor Ort, die ihrerseits das Wissen weitergeben. Das unternehmerische Handeln der Bäuerinnen und Bauern soll gestärkt werden. „Weder eine Hungersnot noch Krieg können den Menschen Bildung wieder wegnehmen“, sagt Ernst. Er engagiert sich auch bei den „Bienenladies“, einem ehrenamtl. Projekt in Äthiopien (unterstützt vom Freundeskreis der Altfredeburger e.V.). Bei diesem Projekt können Agrarstudentinnen, die weder eigenes Land noch finanz. Mittel besitzen, einen Kurs in Imkerei an der Uni belegen, sich eine Selbstständigkeit aufbauen und Honig und Bienenwachs erzeugen. Und: Bienen sind wichtig für die Biodiversität. In Äthiopien herrscht derzeit Krieg und eine hohe Perspektivlosigkeit gerade bei den jungen Menschen, erläutert Ernst. Auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit und damit in eine berufliche Zukunft als „Bienenladies“ werden die Frauen vom Verein unterstützt. Sieben Standorte in Äthiopien gibt es bereits.

Ernst schätzt es, den Menschen mit Würde und Wertschätzung zu begegnen – und dass er, wie er sagt, jedes Mal „schlauer und ideenreicher von seinen Einsätzen zurückkehrt“.