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Vom Glück, einen Esel zu kennen

Von der Entdeckung der Langsamkeit, privaten Ritterspielen und der erdenden Handarbeit mit Flachs und Wolle

Text und Fotos: Dagmar Kübler

„Die Uschi mit den Eseln“ kennt wohl jeder in Geltendorf. Vor allem, wenn sie die Esel vor den Planwagen spannt und damit den Verkehr auf den Dorfstraßen entschleunigt. „Esel sind ja langsam. Und wenn man mit Eseln ein Ziel erreichen will, sind sie noch langsamer. Der Gedanke ist, dass man mit dem Wagen dann ja kein Ziel mehr erreichen muss, sondern irgendwo Pause machen kann, wo’s grad schön ist“ – ein Original-Uschi-Zitat, das sie dem BR gegeben hat, als dieser sie an Ostern bei einer Planwagenreise begleitete. 89 Kilometer in acht Tagen, zusammen mit Tochter Fini im „Holz-SUV“, behängt mit Blumen- und Kräutertöpfen und ausgestattet mit Bett und Kochzeug und Verpflegung für Menschen und Tiere – die übrigens erstaunliche Parallelen aufweisen, dann auch bei den Eseldamen Dudith und Dolly handelt es sich um Mutter und Tochter.

Bekannt in Geltendorf ist Uschi allein schon aufgrund ihrer Erscheinung. Sie kommt daher, als sei sie direkt einem Mittelaltermarkt entsprungen mit ihren wallenden, selbstgenähten langen Röcken aus Naturmaterialien und ihrer Gürteltasche für allerlei Krimskrams. Kein Wunder, dass sie sich und ihre Kunst – die Flachsverarbeitung – auch gerne auf solchen Märkten präsentiert. So war sie im August, natürlich wieder per Eselkutsche, auf dem Schongauer Mittelalterfest – ein Debüt, das sie beim Türkenfelder Bauernmarkt wiederholt. Dort zeigte sie früher schon das Spinnen mit Wolle, auch so eine Leidenschaft von ihr, erstmals heuer aber die vielen Arbeitsschritte, bis ein Flachsfaden entsteht. Eine Bereicherung ist Uschi mit Kutsche, Schafen und Eseln auch beim beliebten Geltendorfer Dreschfest (das nächste findet am So., 3.9.2023 statt).

Rein zu ihrem Hobby und als Ausgleich zu ihrer Arbeit als Ingenieurassistentin für Nachrichtentechnik hält sie auch Pferde, Schafe, Ziegen und Hühner am Stall und kuschelt zu Hause gern mit ihren Hasen und Katzen, wenn sie nicht am Spinnrad sitzt. „Ich liebe das Ursprüngliche und etwas mit den Händen zu machen. Mein Spinnrad hat keinen USB-Anschluss und muss nicht aufgeladen werden. Es steht einfach da, und wenn ich es brauche, dann läuft es.“

Täglich vier Stunden Stallarbeit investiert Uschi in ihre Tiere, die nicht nur ihr Freude machen, sondern vielen Kindern in Geltendorf. Gehörten Nutztiere früher zum Dorfalltag, haben Kinder heute nur noch wenig Gelegenheit, sie zu sehen, spüren und mit ihnen in Kontakt zu treten. Dabei sind Tiere für Kinder so wichtig. Das weiß auch Uschi und lässt die Kinder teilhaben, z. B. mit Reitunterricht, Mithilfe bei der Versorgung Aus der Region Anzeigen oder der Teilnahme an den privaten Ritterspielen auf dem Reitplatz im Norden des Dorfkerns, die sie heuer zum 15. Mal veranstaltet hat – und vielleicht zum letzten Mal. Zum einen werden die Tiere alt und immer öfter auch krank und benötigen daher mehr Ruhe und medizinische Versorgung. Zum anderen sei der Aufwand für die Ritterspiele immens und für sie allein nicht mehr zu stemmen, so Uschi.

Kein Wunder, schreibt sie doch alljährlich ein märchenhaftes Stück, jedes Reitkind erhält darin eine passende Rolle (oder auch mehrere), lässt Kostüme nähen, dekoriert oder zimmert auf die Schnelle noch Requisiten. In die Stücke fließen aktuelle Themen ein wie in diesem Jahr die Ausbeutung der Ressourcen unserer Erde und der Umweltschutz. „Heuer war es anders als sonst, sehr politisch und zeitgemäß“, sagt Uschi. Oder Themen ihrer Reitschüler wie im vergangenen Jahr mit dem Stück „Von Lichtkindern und abgeworfenen Schatten“. Da ging es um eine Prinzessin, die sich nicht anpassen kann und von allen abgelehnt fühlt. Schwarze Fackelgestalten und Reiter verkörpern die Ängste, die sie niederstrecken. Eine Wende ins Stück bringen die Lichtkinder und der kleine weiße Esel. Am Ende heiratet die Prinzessin eine Königin – auch hier orientierte sich Uschi an aktuellen gesellschaftlichen Themen. Wie auch beim 15. Ritterspiel, als die gute Königin, die es geschafft hatte, zerstrittene Gruppen zu vereinen und dafür von den Elfen die Krone der Weisheit erhält, von einer Seuche dahingerafft wird. Wie die Coronapandemie zu einer Spaltung von Teilen der Gesellschaft beigetragen hat, zerbricht im Stück die Krone. Doch so turbulent es auch zugehen mag, immer kommen wieder gute Kräfte ins Spiel, und am Ende liegt die Zukunft in den Händen der Kinder.

„So ein Stück in Szenen durchzudenken, ist wie Schachspielen. Ich muss mir überlegen, wer steht wann wo, muss das Umziehen miteinplanen, die Kostüme bereitlegen, und das heuer für 16 Szenen und 27 Kinder“, erzählt Uschi. Kein Wunder, dass ihre Nerven flattern, wenn kurzfristig Absagen eintrudeln und Kinder ihre Rollen nicht antreten. Stets erzählt ein Sprecher die Geschichte, die Kinder und Jugendlichen agieren zusammen mit den Tieren, dabei werden auch rasante und schwierige Reitpassagen gezeigt, und alles zusammen ergibt zusammen mit der Musik märchenhafte Schaubilder zum Träumen; manchmal ist es aber auch zum Weinen schön.

Uschi Plachetka wuchs in Tutzing auf. Nach Geltendorf kam sie vor 25 Jahren. Tiere mochte sie schon immer gern, „aber als ich als Kind einen Fotoapparat geschenkt bekommen habe und die Fohlen, die in der Nachbarschaft lebten, fotografierte, da hat es mich erwischt“. Die Liebe zu Pferden war geweckt, fünf Pferde hält sie heute, dazu zwei Esel, elf Schafe und zwei Ziegen. „Ich bin schon auf einem guten Weg zur Arche Noah“, lacht Uschi beim Besuch am Stall und träufelt dem einen Vierbeiner Tropfen gegen Augenentzündung ein, salbt dem anderen das verletzte Bein, füllt Wasser und Heu auf.

Es ist ein Paradies, das sie da geschaffen hat, mit buntem Bauwagen und angemalten Gartenhütten, drinnen Sattelzeug und was es sonst noch braucht. Uschi teilt es mit den Geltendorfer Kindern und vielleicht erdet diese der Kontakt mit den Tieren genauso wie die Wahl-Geltendorferin, die, wie sie sagt, seit sie Tiere hält, noch viel mehr Wurzeln geschlagen hat.

Wurzeln auf dem Dorfacker schlagen auch die Pflanzen für ihr neuestes Hobby, die Verarbeitung von Flachs. Dafür baut sie herrlich blauen Lein an, der neben gesunden Leinsamen auch Flachs liefert. Doch davon berichten wir ausführlicher in einem gesonderten Beitrag über Uschi in unserer Dezemberausgabe.