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Bruck: ein beliebter Wintersportplatz für die Münchner

Wintersportzentrum Fürstenfeldbruck: Vor hundert Jahren reiste man zu winterlichen Sportaktivitäten von der Isar an die Amper

Text: Robert Weinzierl (Textrechte: Historischer Verein Fürstenfeldbruck), Bearbeitung: Sigrid Römer-Eisele
Fotos: Sammlung Robert Weinzierl

„Bruck, ein beliebter Wintersportplatz für die Münchner“ – diese Überschrift erscheint uns heute wie ein Witz. Bei dem Begriff Wintersportzentrum denken wir heute an Gletscherbahnen mit Sommerskibetrieb und Skischaukeln mit vielen Bergbahnen und Skiliften, die täglich Tausende von Wintersportler auf schneesichere Höhen bringen, die kilometerlange Abfahrten in allen Schwierigkeitsgraden ermöglichen. Aber ein Wintersportzentrum in Fürstenfeldbruck? Das erscheint uns geradezu utopisch. Wo soll man denn in Bruck Wintersport betreiben? Umgekehrt wäre es vor nahezu 100 Jahren eine absolut utopische Zukunftsvision gewesen, hätte man sich den Wintersport unserer Tage in Umfang und Ausmaß vorzustellen versucht. Wintersport damals hieß rodeln und mit Schlittschuhen übers Eis laufen. Das Gleiten auf Holzbrettern, Skifahren genannt, steckte noch in den Kinderschuhen. Im Jahr 1908 (in diesem Jahr legte die Regierung den Namen „Fürstenfeldbruck“ als einheitliche Bezeichnung für die Orte Bruck und Fürstenfeld fest), warb der örtliche Verschönerungsverein mit einem Werbeprospekt für Fürstenfeldbruck als Sommerfrische und Wintersportort.

Darin ist zu lesen: „Zu einer ungeahnten Höhe hat sich innerhalb zweier Jahre der Wintersport in Fürstenfeldbruck emporgeschwungen. Vier vorzüglich gelegene, von herrlichem Hochwald umschlossene Rodelbahnen, darunter eine Sprungbahn, gut geeignete Plätze zum Erlernen des Skilaufes, prächtige Eisflächen zum Schlittschuhlaufen und Eisstockschießen bieten reichlich Gelegenheit zur Ausübung dieses gesundheitsfördernden Sportes. Von allen Wintersportplätzen, welche für München in Betracht kommen, ist der Fürstenfeldbrucker Sportplatz wohl am billigsten und durch seine Lage nächst dem Bahnhof Fürstenfeldbruck begünstigt, auch am raschesten zu erreichen. Der Betrieb wird durch die Sektion Fürstenfeldbruck des deutschen Touring-Clubs geleitet und es ist teils durch naheliegende, gutgeführte Restaurationen sowie durch eine direkt an den Rodelbahnen gelegene Kantine auch für des Leibes Stärkung bestens gesorgt.“

Erste Holzhütte am Ende der Rodelbahn vom Burgberg herab. Sie diente zum Aufwärmen und Versorgen der Rodler mit heißem Tee. Das Ofenrohr war noch ganz einfach durch die Holzwand ins Freie geführt. Heutigen feuerpolizeilichen Vorschriften würde das sicher nicht mehr genügen.

Begonnen hatte der Wintersport in Fürstenfeldbruck demnach im Jahr 1906 und entwickelte sich, wie wir heute wissen, rasch zum Anziehungspunkt für die Münchner. Wie war das möglich? München liegt inmitten einer Schotterebene. Wer Wintersport betreiben wollte, musste also aus der Stadt hinaus. Das war damals nur mit der Eisenbahn möglich. Zwar bauten Albert Benz und Gottlieb Daimler seit 1890 verkaufsfähige Autos mit Verbrennungsmotor. Aber sie waren auch nach der Jahrhundertwende noch äußerst selten und, ebenso wie Pferdekutschen, nur im Besitz einer kleinen Schicht sehr vermögender Bürger, die eher keinen Wintersport betrieben. Die Masse der Stadtbewohner war also auf die Bahn angewiesen. Zudem waren Zeit und Geld sehr beschränkt. Bei der vollen Sechs-Tage-Arbeitswoche blieb nur der Sonntag für sportliche Aktivitäten übrig – und winterbedingt auch nur für wenige Stunden. Da reichte die Zeit nicht aus, um mit den langsamen, von Dampflokomotiven gezogenen Zügen ins Gebirge zu fahren, soweit die Berge von der Bahn überhaupt schon erschlossen waren. Und billig sollte die Eisenbahnfahrt im Hinblick auf den oft schmalen Geldbeutel ja auch sein. So bot sich die nähere Umgebung für den Wintersport an. Die Bahnfahrt von München nach Bruck war kurz und vor allem erschwinglich. Der Bahnhof lag unmittelbar an dem nach Norden zum Ampertal abfallenden, waldbestandenen Moränenhügel. Auch Eisflächen auf den ehemals klösterlichen Fischweihern am Weiherhaus waren genügend vorhanden. Die Brucker Gastwirte und Hausbesitzer hatten schon seit Jahren erkannt, dass Gäste Geld in den Markt, und damit lohnende Nebeneinkünfte bringen. Sie warben intensiv um „Sommerfrischler“ und machten vor allem in den Privathäusern alle nur möglichen Zimmer für Gäste frei. Wenn man heute die Zimmernachweise von 1908 durchsieht und sich die damals noch kleinen Häuser vor Augen hält, fragt man sich, wo die Hausbesitzer und ihre Familienangehörigen geschlafen haben.

Als nun allmählich der Wintersport begann, erkannten geschäftstüchtige Brucker schnell, dass sich hier auch im Winter eine Erwerbsmöglichkeit bot. Zusammen mit dem Deutschen Touring-Club richteten sie an den schattigen und damit
„schneesicheren“ Nordseiten der Gegenpoint-Leite Rodelbahnen und „Skipisten“ ein. Am Ende der Rodelbahnen, dem Bahndamm gegenüber, erbaute man ein hölzernes Unterkunftshaus, wo „für des Leibes Stärkung bestens gesorgt wurde“. Damit die mit der Eisenbahn ankommenden Wintersportgäste ihre schweren und unhandlichen Rodelschlitten nicht im engen Bahnabteil mitschleppen mussten, stellte man an den Rodelbahnen eine große Zahl von Leihschlitten jeder Größe bereit. Es sollen bis zu 400 Schlitten gewesen sein. Ein Service gegenüber den Wintersportgästen, der wiederum Geld einbrachte.

Anstelle der ersten Holzhütte errichtete der Deutsche Touring-Club ein ebenfalls hölzernes Unterkunftshaus. Es macht schon einen etwas kompakteren Eindruck. Die Beton-Fundamente dieses später abgebrannten Hauses waren noch in unserer Zeit sichtbar. Quer durch das Foto verlaufen die Telefonleitungen am Bahndamm entlang.

Sonderzüge nach Bruck

Zeitgenössische Quellen berichten von einem solchen Andrang der Münchner auf den Wintersportplatz Bruck, dass die Bahn Sonderzüge einsetzen musste, die dann auch gleich bei den Rodelbahnen anhielten, um den Wintersportlern den Weg vom Bahnhof dorthin zu ersparen. Es war sicher nicht ganz ungefährlich, so auf freier Strecke aus- und
einzusteigen. Aber man gab halt auf sich acht, denn Haftungsansprüche und Krankenkassen waren noch unbekannt. Die schwere Wirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg und die folgende Inflation 1923 setzen dem Wintersportort Fürstenfeldbruck schwer zu. Das endgültige „Aus“ brachte dann die Konkurrenz der neu entstandenen Wintersportorte im Voralpenland und im Gebirge. Daneben konnte Bruck nicht mehr bestehen. So ging die kurze Periode professionellen Wintersports in Bruck zu Ende.

Das Rodeln und Skifahren an der Gegenpoint-Leite geriet nicht ganz in Vergessenheit. Brucker Kinder und Jugendliche, aber auch mancher Erwachsene, fuhren noch lange Zeit, wenn es Schnee gab, über den Nikolausberg mit Rodel und Ski. Die Rodelbahnen im Hochwald waren nicht mehr so gefragt wie der baumlose Hügel am Fuße des ehemaligen Burgberges. Und so manche erwachsene Rodler beendeten den Tag in froher Runde im Café Rodelbahn, das 1916 errichtet wurde, die Zeit des wintersportlichen Niedergangs überstand und sich zum beliebten Treff punkt, besonders junger Menschen aus Bruck, entwickelte. Erst 1978 schloss es seine Pforten.

Das 1916 erbaute Restaurant Rodelbahn, neben der Straße zum Tonwerk, die im Winter ebenfalls als Rodelbahn benutzt worden ist. Der Restaurantbetrieb wurde 1978 aufgegeben, das Haus steht aber heute noch.

Eislauf

Reges Treiben herrschte auch lange Zeit noch auf dem Eis des Weihers beim Weiherhaus. Erwachsene und jugendliche Schlittschuhläufer vergnügten sich auf Kufen und im Restaurant Weiherhaus. Aber auch deren Ansprüche an das Eis stiegen, insbesondere seit Eishockey gespielt wurde, waren gepflegte Eisflächen gefragt. So baute man ein erstes Eisstadion an der Maisacher Straße (heute B 471), dem dann das jetzige neben dem Hallenbad folgte. Am Weiherhaus wurde es ruhig. Und als dann auch noch die Gaststätte abbrannte, endete auch der Schlittschuhlauf auf dem dortigen
Weiher endgültig.